Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier überlegt, Digitalteams aus Estland einzufliegen, nachdem ein Gutachten “archaische Zustände” in der deutschen Verwaltung festgestellt hat. Darauf haben wir eine Antwort formuliert. Unterschreibt auch!
Sehr geehrter Herr Bundesminister Peter Altmaier,
warum nach Estland schweifen, wenn in Deutschland junge Digitalexpert:innen seit Jahren mit den Hufen scharren?
Im N3GZ Nachwuchsnetzwerk Digitale Verwaltung organisieren sich mehrere hundert junge Fachkräfte aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft. Uns treibt die Überzeugung an, dass eine bessere Verwaltung für Bürger:innen und Mitarbeitende möglich ist. Unsere Leidenschaft für die Digitalisierung der deutschen Verwaltung ist so groß, dass wir sogar unsere Freizeit mit dem Thema verbringen. Genau solche informellen Netzwerke sind auch ein Schlüssel für die estnischen Digital-Erfolge.
Wir teilen die Einschätzungen des Gutachtens “Digitalisierung in Deutschland – Lehren aus der Corona-Krise” weitgehend. Die Corona-Krise hat uns allen den Wert, aber auch die Unzulänglichkeiten der öffentlichen Verwaltung vor Augen geführt. Wir werfen mit Ihnen sehnsüchtige Blicke nach Estland, wo in der digitalen Verwaltung seit Jahren vieles funktioniert, worum wir in Deutschland noch zäh ringen. Wir fühlen auch bei Ihrem Gestaltungswillen mit, wenn Sie der Digitalisierung höchste Priorität zusprechen.
Was wir aber nicht teilen, ist Ihr Ruf nach Digital-Expert:innen aus Estland. Bei aller Wertschätzung für die estnischen Kolleg:innen: Der digitale Nachholbedarf der deutschen Verwaltung erklärt sich nicht aus einem Mangel an qualifizierten Fachkräften. Schon allein die kundigen und motivierten Menschen in unserem Netzwerk erbringen hier den Gegenbeweis – und einige von uns haben sogar in Estland Bildungs- und Arbeitserfahrung gesammelt.
Vielmehr rufen wir Sie und Ihre Kolleg:innen in der Bundesregierung, den Landesregierungen und den Kommunen auf, die Rahmenbedingungen für eine entschlossene Verwaltungsdigitalisierung zu schaffen, indem Sie:
- offene und attraktive Karrierewege in die und in der Verwaltung ebnen,
- Transparenz zu Vorhaben, Vorgaben sowie zu Umsetzungsstand und Nutzung digitaler Verwaltungsverfahren herstellen,
- effiziente und transparente Koordinationsstrukturen zwischen Bund, Ländern und Kommunen etablieren, welche die Verwaltungsdigitalisierung mit Weitblick strategisch steuern,
- neue Arbeitsformen in der Verwaltung ermöglichen und Innovationsräume öffnen,
- harmonisierte und offene technische Standards für die digitale Verwaltung setzen,
- offen mit Zivilgesellschaft, Startups und Wissenschaft austauschen und zusammenarbeiten,
- den gesellschaftlichen Fragen hinter technischen Entscheidungen sowie dem E-Government-Umsetzungsstand mehr politische Aufmerksamkeit schenken.
Lösen Sie die Bremsen. Binden Sie die Fachkräfte, die sich seit Jahren in den Kommunen, Ländern und im Bund für Verwaltungsdigitalisierung engagieren, ernsthaft ein. Geben Sie uns Gestaltungsraum. Wir übernehmen gerne Verantwortung für eine innovative und nachhaltige Digitalisierung der deutschen Verwaltung, mit Expertise, Ideen und Elan. Ganz ohne Flieger aus Estland.
Wir stehen für ein Gespräch jederzeit bereit.
Mit freundlichen Grüßen
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Zitationsempfehlung: N3GZ Nachwuchsnetzwerk Digitale Verwaltung “Das Gute liegt so nah – Replik auf Peter Altmaiers Ruf nach Digital-Expertise aus Estland”, 16. April 2021, www.n3gz.org