Demokratie-Update mit dem N3GZ

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei Future4Public.online.

Die längste Zeit haben Behörden für mich so gut wie keine Rolle gespielt. Genau genommen sind sie immer dann aufgetaucht, wenn Dinge umständlich wurden: Für den Urlaub benötigte ich einen neuen Reisepass, nach dem Umzug musste ich aufs Amt für die Ummeldung – lästige Ereignisse, die ich schnell hinter mich bringen wollte. Für die meisten Menschen bleibt diese Perspektive vermutlich ein Leben lang bestehen, nur dass die Angelegenheiten im Laufe des Lebens komplizierter werden. Das ist nicht verwunderlich. Warum sollte man sich für die Verwaltung darüber hinaus interessieren?

Eine Antwort auf diese Frage lautet: Gar nicht. Im Zweifel ist es für Bürger*innen völlig ausreichend, die Kontaktpunkte zur Verwaltung so gering wie möglich zu halten und vom Staat einzufordern, dass die Verwaltung sich Mühe gibt, diese Prozesse unkompliziert und effizient zu gestalten. Für Neugierige lautet eine zweite Antwort: Weil sich die Verwaltung für dich interessiert, ob du es willst oder nicht. Als Bürger*innen werden wir ständig zum Gegenstand von Verwaltungsvorgängen, Evaluationen und Entscheidungen. Für diese zweite, etwas kompliziertere Antwort hat mir mein Studium der Politischen Theorie unerwartete Zugänge geliefert. Es hat mich dazu gedrängt, über die Verwaltung nachzudenken.

Die Verwaltung ist nicht weniger als das lebendige Grundgerüst des modernen Verfassungsstaats, d.h. der politischen Staatsform, in der wir unser Zusammenleben als Gesellschaft organisieren. So wie jede Idee, die wir nicht in Handlungen überführen, eine Fantasie bleibt, entfaltet jedes politische Gesetz seine volle Wirkung erst durch die Verwaltung, die es umsetzt. Das bedeutet im Umkehrschluss: Je maroder die Verwaltung, desto gelähmter ist die Politik. Die Zukunft der Verwaltung ist daher kein Nischenthema, sondern existentiell für die Zukunft unserer Demokratie und heute wichtiger denn je.

Diese Perspektive klingt möglicherweise abstrakt, ist aber mein täglicher Antrieb im Beruf. Mit meiner Arbeit als Berater unterstütze ich die Bundesverwaltung dabei, sich auf aktuelle und kommende Herausforderungen einzustellen. Die Zeit drängt: Aufgrund des demographischen Wandels werden der deutschen Verwaltung bis 2030 etwa eine Millionen Arbeitskräfte fehlen. Das bestehende Personal ist mit neuen Technologien konfrontiert, die teils umfangreiche Weiterbildungen nach sich ziehen. Der Transformations- und Anpassungsdruck ist immens. Hier versuche ich mit meinem Team zu unterstützen: Wir analysieren für unsere Kund*innen die bestehenden Geschäftsprozesse und zeigen Optimierungspotenziale auf. Schlankere Prozesse, Automatisierung und unterstützende Technologien wie künstliche Intelligenz können die Mitarbeiter*innen in Behörden erheblich entlasten und Abläufe beschleunigen. Weil wir bei vielen Ministerien und Behörden im Einsatz sind, können wir schnell erfassen, was besser oder schlechter funktioniert, und Best Practices feststellen. Das bietet sowohl uns Berater*innen im Arbeitsalltag viel Abwechslung als auch unseren Kund*innen den größten Mehrwert.

Die Herausforderungen in der Verwaltung werden aber nicht (nur) von Berater*innen gelöst. Um gute Lösungen zu entwickeln, müssen komplexe Themen aus diversen Blickwinkeln betrachtet werden. Allen voran braucht es Mitarbeiter*innen in der Verwaltung, die einen Blick fürs Ganze haben und Veränderungen auch gegen Widerstände erreichen wollen. Es braucht Wissenschaftler*innen, die die Transformation begleiten, evaluieren und nüchtern bewerten. Es braucht Politiker*innen, die sich dem Problem der Verwaltungsdigitalisierung annehmen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht sexy ist. Es braucht eine Zivilgesellschaft, die sich dem Problem bewusst ist, und die sich aktiv in die Gestaltung einbringt, insbesondere, um ihre eigenen Interessen einzubringen und Grundrechte zu schützen.

Beim N3GZ versuchen wir, diese Perspektiven zusammenzubringen. Wir tauschen Ideen und Perspektiven aus, werfen Fragen auf, bringen Vorschläge ein oder legen, wenn es sein muss, den Finger in die Wunde. Wir wissen, dass wir nicht nur den grauen Behördenalltag aufhellen, sondern am Update unserer Demokratie arbeiten. Ein Update, das auch dich betrifft, also gestalte es mit!


Frederik Heinz arbeitet als Public Sector Consultant bei PricewaterhouseCoopers GmbH WPG (PwC) und berät Bundesministerien und -behörden rund um die Digitale Transformation. Zudem beginnt er derzeit seine Dissertation zur Politischen Theorie der Verwaltungsdigitalisierung.

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